Mit Konflikten umgehen: Was tun, wenn es kracht?
Wo Menschen miteinander zu tun haben, kommt es immer wieder zu Missverständnissen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikten. Das ist normal und gehört zum Leben und Sie kennen es sicher. Genauso ist es in der Kirche, in der Gemeinde und im Kirchengemeinderat. Allerdings gibt es dort meist eine gewisse Scheu vor Auseinandersetzungen und Konflikten. Unter Christinnen und Christen sollte es anders zugehen – so die landläufige Meinung. Doch das entspricht weder der biblischen noch der kirchlichen Realität. In der Bibel wird heftig gestritten. Streitgespräche gibt es zwischen Jesus und den Pharisäern; Paulus und Petrus ereifern sich über den rechten Umgang mit getauften Heidenchristen. In der Kirchengeschichte kommt es immer wieder zu Trennungen, wie am Beispiel der Reformation oder des Kirchenkampfes im sogenannten Dritten Reich zu sehen ist. Bis in die Gegenwart setzt sich das fort, in der Ökumene etwa, wo neben der Bemühung um mehr Einheit immer noch das Bedürfnis nach Abgrenzung vom anderen besteht.
Inhalte
Was tun, wenn ein Konflikt im Raum steht?
Gesprächsregeln für alle Fälle - gerade für Konflikte
Wie gelingt ein konstruktiver Blick auf einen Konflikt?
Ursachen für Konflikte
Was im Großen gilt, ist auch im konkreten Umfeld der Ortsgemeinde zu erleben. Die Ursachen sind vielschichtig: Oft unterscheiden sich Bilder und Wertvorstellungen, oder die Rollen, Erwartungen, Beziehungen und Zuständigkeiten der Beteiligten sind unklar. Auch in der Rolle des Kirchengemeinderatsmitglieds müssen Sie immer wieder für sich klären: Aus welcher Position heraus spreche und handle ich? Für wen spreche und handle ich? Und wer sitzt bei einem Thema nicht mit am Tisch und ist doch wichtige Partei?
Was tun, wenn ein Konflikt im Raum steht?
Am besten den Konflikt als selbstverständlich erachten und ihn möglichst zeitnah behandeln. Totschweigen, lange unter dem Teppich Halten oder Aussitzen sind Haltungen, die eher zu einer Verschärfung eines Konfliktes als zu dessen Lösung beitragen. Konflikte müssen besprochen werden, nur dann kommt Bewegung in die Sache oder in festgefahrene Beziehungen. Der Gemeindeberater Ernst Georg Gäde aus Hessen hat dazu folgende acht Empfehlungen formuliert (Gäde, E.G./Listing, T., Gruppen erfolgreich leiten, Mainz, 6. Auflage 2002, S. 125). Sie rufen in Erinnerung, was Menschen in allen Gesprächssituationen beherzigen können – und im Konfliktfall besonders:
Gesprächsregeln für alle Fälle – gerade für Konflikte
- Lassen Sie andere ausreden. Auch wenn sie Kritik an Ihnen üben, hören Sie zu!
- Wenn sich Konfliktpartner:innen hinter „Man“- und „Wir“-Formulierungen verbergen, fragen Sie sie nach ihren Gefühlen.
- Überprüfen Sie, was andere in Ihnen auslösen, nachdem etwas ausgesprochen wurde. Welche Gefühle steigen in Ihnen hoch? Teilen Sie das gegebenenfalls der anderen Person in der Ich-Form mit.
- Es können Pausen entstehen. Halten Sie die Pausen aus, ohne gleich zum argumentativen Gegenschlag auszuholen.
- Es gibt Konflikte, die nicht sofort gelöst werden können. Lassen Sie Konflikte auch einmal stehen. Eine Nacht darüber zu schlafen, kann heilsam sein.
- Wenn Sie feststellen, dass Sie im Unrecht sind, gestehen Sie das ein und kommen Sie der anderen Partei entgegen.
- Wenn beide Konfliktparteien auf ihren Positionen beharren, kann der Konflikt vielleicht durch einen Kompromiss gelöst werden.
- Dehnen Sie einen Konflikt nicht ins Uferlose aus, bleiben Sie bewusst und konzentriert am Konfliktthema.
- Diese Haltungen und Verhaltensweisen ermöglichen, Schritte zu einer Konfliktklärung zu gehen.
Wie gelingt ein konstruktiver Blick auf einen Konflikt?
Vielleicht hilft Ihnen ein Gedanke aus dem Demokratie-Trainings-Programm Betzavta. „Bezavta“ ist Ivrit und heißt auf Deutsch „Miteinander“. Die Konflikt-Dilemma-Konflikt-Methode aus diesem Fundus basiert auf der Annahme, dass wir das gleiche Recht einer anderen Person auf freie Entfaltung am ehesten dann akzeptieren, wenn wir deren Position als eine Alternative anerkennen, die unter anderen Umständen auch unsere eigene Position sein könnte. Sie empfinden die andere Person dann nicht mehr als "Gegner:in", sondern als eine Person, die "eine andere Wahl getroffen hat". Damit aber geraten Sie in ein inneres Dilemma: Beide Positionen aus dem Konflikt werden als gleichwertig erlebt. Ist dieser Schritt getan, braucht es von Ihnen eine erneute Positionierung, um in der gemeinsamen Entscheidung weiterzukommen. In den meisten Fällen wird es sich wohl um dieselbe Position handeln, mit der Sie "ins Dilemma gegangen" sind.
Was ist also gewonnen durch diesen Gedankenweg?
Wenn Sie die Position einer anderen Person oder Gruppe nicht mehr als gegnerische und zu bekämpfende Position bewerten, sondern nur noch als eine Position, für die Sie sich in diesem konkreten Fall nicht entschieden haben, fällt es in einem nächsten Schritt möglicherweise leichter, diese Position von der Person oder Gruppe zu trennen und nach einer Lösung des Konflikts zu suchen, die die Freiheit von beiden Parteien so wenig wie möglich einschränkt. Mehr Infos.
Unterstützung bei Konflikten
Mit diesen Tipps wollen wir Sie ermutigen, Konflikte selbst anzugehen.
Wenn Sie sich jedoch zu einer Konfliktsituation im Kirchengemeinderat oder der Gemeinde ein Gespräch wünschen oder die Begleitung durch eine am Konflikt nicht beteiligte Person, sogibt es selbstverständlich innerhalb der Nordkirche Möglichkeiten dafür. Sie können sich beispielsweise an die Gemeinde- und Organisationsberatung in Ihrem Kirchenkreis wenden.
Sie können sich auf der Ebene der Nordkirche Beratung vermitteln lassen:
für die Sprengel Hamburg-Holstein und Schleswig melden Sie sich bei:
Arbeitsstelle Institutionsberatung der Nordkirche und Gesellschaft für Gemeindeberatung und Organisationsentwicklung e.V. (GfGO)
für den Sprengel Mecklenburg und Pommern melden Sie sich beim
Gemeindedienst im Zentrum kirchlicher Dienste
Mehr Informationen rund um das Thema Frieden finden Sie auf diesen Seiten und bei der Beauftragten im Referat für Friedensbildung.
Dieser Beitrag wurde von Julika Koch erstellt.