Prävention von Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt

Die Frage, ob es überhaupt ein Problem in Kirche mit Grenzverletzungen und sexualisierter Gewalt gibt, wird immer wieder neu gestellt, obwohl sie längst beantwortet ist. Spätestens seit 2010, als immer mehr Betroffene auf von ihnen erlittenes Unrecht in Institutionen aufmerksam machten, kann niemand mehr die Fakten abstreiten. Eigentlich. Und doch kommt es im Alltag immer noch vor, dass das Problem relativiert, bagatellisiert oder ignoriert wird. Aber – wenn Kirche als Institution glaubwürdig sein und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen will, braucht es eine engagierte und qualifizierte Prävention, um das Problembewusstsein zu fördern und notwendiges Wissen zu vermitteln.

Inhalte

Von der Aufarbeitung zu einem 10-PunktePlan und Präventionsgesetz

Konzertierte Prävention

Schutzkonzepte entwickeln und leben

Erweitertes Führungszeugnis

Selbstverpflichtungserklärung

Meldepflicht

Weiterführende Links

Von der Aufarbeitung zu einem 10-PunktePlan und Präventionsgesetz

Im Jahr 2010 wurde der Fall in der Kirchengemeinde Ahrensburg öffentlich. Das war der Ausgangspunkt einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt in der Nordkirche. Die Untersuchung des Ahrensburger wie auch anderer Fälle durch eine unabhängige Kommission hat Handlungsbedarf für die Nordkirche ermittelt. Im Abschlussbericht von 2014 hat die Kommission über 150 Empfehlungen formuliert, wie in Zukunft Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt möglichst vermieden oder rasch unterbunden werden könnten. Diese Empfehlungen wurden umgehend zu einem 10-Punkte-Plan zusammengefasst und von der Kirchenleitung beschlossen, damit Prävention nach diesen Vorgaben Gestalt annehmen konnte. Im Jahr 2018 verabschiedete die Landessynode dann das Präventionsgesetz und gab Prävention in der Nordkirche einen rechtlichen Rahmen.

Seitdem gehört es mit zur Verantwortung aller Menschen, die im Beruf oder Ehrenamt Leitung übernehmen, sich mit den Grundsätzen der Prävention in der Nordkirche vertraut zu machen. In der Vielzahl der herausfordernden Aufgaben und Krisen wird sich „sexualisierte Gewalt“ als das maßgebliche Thema zeigen, um gesellschaftliche Relevanz zu behalten. Es ist das entscheidende Zukunftsthema.

 

Konzertierte Prävention

Kirchliches Handeln in föderalen Strukturen braucht angemessene Bedingungen, damit es im Ganzen gelingen und Wirkung entfalten kann. Das gilt auch für die Prävention. Weil Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt auf allen Ebenen der verfassten Kirche und der Diakonie geschehen und ebenso alle Bereiche von Arbeit und Leben betreffen können, stehen leitende Gremien – wie ein Kirchengemeinderat – und Führungs- und Fachkräfte gemeinsam in der Verantwortung. Das ist nicht nur eine Frage der individuellen Haltung, sondern braucht auch eine öffentliche Erklärung der Institution, wie sie Prävention für die eigene Praxis wirksam werden lassen will.

Schutzkonzepte entwickeln und leben

In der Nordkirche gilt die Entwicklung von Schutzkonzepten als zentrales Element der Präventionsstrategie. Ein Schutzkonzept gibt nicht nur Orientierung innerhalb einer Kirchengemeinde oder Einrichtung und fördert die Handlungssicherheit, sondern legt Rechenschaft nach außen ab. Die Wirksamkeit von Schutzkonzepten ist in hohem Maße davon abhängig, wie sie durch die Menschen im Alltag und in der Berufspraxis tatsächlich gelebt werden. Ein Aktenordner mit zusammenkopierten Texten, der im Regal verstaubt, bewirkt eher das Gegenteil.

So verschieden wie die Ausgangsbedingungen im Einzelfall für Schutzkonzepte sind, so vielfältig können sie ausfallen. Entscheidend ist, dass diese Vielfalt insgesamt einen Rahmen und eine gemeinsame Richtung hat, damit Prävention wirksam werden und bleiben kann. Der Begriff, der diesen Anspruch beschreiben soll, heißt „konzertierte Prävention“. Die Präventionsstrategie der Nordkirche kommt darin in Form von Richtlinien, Konzepten und Fortbildungen zur Umsetzung. Das ist vorrangige Aufgabe der Fachstelle Prävention der Nordkirche als Stabstelle der Kirchenleitung. Kirchenkreise und Hauptbereiche wie auch die Landesverbände der Diakonie haben Präventionsbeauftragte bestellt, die der gemeinsamen Strategie verpflichtet sind.

Für die Kirchengemeinde ist der Kirchengemeinderat in der Verantwortung, dass ein Schutzkonzept entwickelt wird. Das kann sowohl für jede einzelne oder auch im Verbund mehrerer Gemeinden in der Region sinnvoll sein. Die Präventionsbeauftragten der Kirchenkreise haben die Aufgabe, dabei zu beraten und zu unterstützen.

Erweitertes Führungszeugnis

Eine weitere Präventionsmaßnahme ist das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis. Durch die Vorlage des Zeugnisses soll zunächst verhindert werden, dass eine Person im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt wird, die wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt ist. Über die engere gesetzliche Bestimmung hinaus können aber Verantwortliche signalisieren, dass beim Personal aufmerksam hingeschaut wird. Das Führungszeugnis einzufordern, löst häufig Kritik und den Vorwurf aus, dass Mitarbeitende unter einen Generalverdacht gestellt würden. Das ist eine gute Gelegenheit, um über Prävention miteinander ins Gespräch zu kommen, ohne dass schon etwas passiert sein muss. Der Kirchengemeinderat ist in der Personalverantwortung und muss für eine tatsächliche Dienst- und Fachaufsicht sorgen.

Auch wenn der Ausgangs- und Schwerpunkt von Prävention im Kinder- und Jugendschutz liegt, geht es um alle Menschen, die kirchlichen Institutionen im Leben und Arbeiten anvertraut sind. Letztlich geht es um den achtsamen Umgang der Menschen untereinander, dass Grenzen gewahrt und Verletzungen aufgezeigt werden.

Selbstverpflichtungserklärung

Damit Achtsamkeit zur Kultur werden kann, sollten sich Menschen in Kirche und Diakonie selbst verpflichten, entsprechende Standards einzuhalten. Dabei geht es nicht nur um ein erwünschtes Verhalten, sondern auch um die Haltung dahinter, die schon in der Sprache deutlich werden kann. Mit der Selbstverpflichtungserklärung geht meist eine Fortbildung einher, um zu sensibilisieren, Wissen zu vermitteln aber auch bisheriges Verhalten zu reflektieren. Auch das ist eine Gelegenheit, Prävention ins Gespräch zu bringen. Der Kirchengemeinderat hat eine Fürsorgepflicht, dass sich die Menschen in der Kirchengemeinde wohlfühlen und kein Schaden verursacht wird. Seit 2022 sind alle Pastor:innen verpflichtet, eine entsprechende Erklärung abzugeben und an einer Schulung teilzunehmen. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde oder im Jugendverband werden Selbstverpflichtungserklärungen als probates Mittel schon lange eingesetzt.

Meldepflicht

Mit dem Präventionsgesetz wurde 2018 die Meldepflicht eingeführt. Allen ehrenamtlichen oder beruflichen Mitarbeitenden wird dabei auferlegt, dass sie einen Hinweis oder die Kenntnis von Vorkommnissen weitergeben müssen. Ob die Anhaltspunkte zureichend sind, um als Meldung ein geordnetes Verfahren in Gang zu setzen, dafür ist die Beratung durch Fachkräfte vorgesehen. Durch Handlungspläne, die fester Teil von Schutzkonzepten sind, sind verbindliche Vorgehensweisen und Verantwortungen für die Durchführung von Verfahren beschrieben. Auskunft darüber können die jeweiligen Melde- und Präventionsbeauftragten der Kirchenkreise und Hauptbereiche geben. Die Kontaktdaten der Ansprechpersonen sind auf den Homepages der Kirchenkreise und der Landeskirche unter dem Stichwort „Prävention“ zu finden.

Für alle Fragen zum Thema Prävention in der Nordkirche steht haupt- und ehrenamtlich Tätigen auch die Stabsstelle Prävention zur Seite (Kontakt s.u.).