Gottesdienste verantwortlich gestalten

Welche Aufgaben, welche Verantwortung hat der Kirchengemeinderat für den Gottesdienst? In immer mehr Gemeinden werden Gottesdienste von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen gemeinsam, in gemischten Teams oder von Prädikant:innen und Lektor:innen gestaltet. Das wirft Fragen auf: Wer darf was im Gottesdienst? Was ist offiziell erlaubt? Kann Gottesdienst auch in der Verantwortung eines Teams von Ehrenamtlichen liegen und ohne die Beteiligung von Pastorin oder Prädikant gefeiert werden? 

Inhalte

Wer darf was im Gottesdienst?

„Einander Priester sein“ – als gemeinsame Verantwortung und Verpflichtung

Das ordinierte Amt dient dem Allgemeinen Priestertum

Kirchengemeinderat verantwortet Gestaltung des Gottesdienstes

Vertiefung und Beratungsangebote

Was stärkt meinen Glauben, meine Zuversicht, mein Vertrauen?

Wer darf was im Gottesdienst?

Seit Beginn des neuen Jahrtausends gibt es das Evangelische Gottesdienstbuch (Neuauflage 2020), die Agende (Gottesdienstordnung) für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (Bestellungen hier möglich).

In diesem Gottesdienstbuch werden sieben „maßgebliche Kriterien für das Verstehen und Gestalten des Gottesdienstes” genannt (S. 17f). Wegweisend für die Frage „Wer darf was im Gottesdienst?” sind vor allem das erste und fünfte Kriterium und deren Erläuterung.

Zum ersten Kriterium:
Der Gottesdienst wird unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinde gefeiert. Die Reformation hat das Priestertum aller Getauften neu zur Geltung gebracht. Daher ist die ganze Gemeinde für den Gottesdienst verantwortlich. Die Gemeinde, die von Gott mit der Vielfalt von Geistesgaben beschenkt wird, soll sich mit all diesen Gaben, Fähigkeiten und Erkenntnissen am Gottesdienst beteiligen. Gottesdienstordnungen sollen hierfür immer neu Wege ebnen und Möglichkeiten erschließen(...).

Zum fünften Kriterium:
Die Sprache darf niemanden ausgrenzen; vielmehr soll in ihr die Gemeinschaft von Männern, Frauen, Jugendlichen und Kindern sowie von unterschiedlichen Gruppierungen in der Kirche ihren angemessenen Ausdruck finden. (...) Niemand darf im Gottesdienst durch Wort oder Verhalten ausgegrenzt oder beiseite geschoben werden (...).  

Der Gottesdienst ist in Zusammenhang mit dem lutherischen Grundsatz des Allgemeinen Priestertums zu sehen. Ein Exkurs:

 

„Einander Priester sein“ – als gemeinsame Verantwortung und Verpflichtung

Grundlegend für das reformatorische Kirchenverständnis ist die Unterscheidung zwischen dem allen Christ:innen aufgetragenen Dienst und dem rechtlich geordneten Amt. Den Dienst aller Christ:innen bezeichnet Luther als das Allgemeine Priestertum aller Gläubigen, das durch die Taufe erworben wird und zwei Pointen hat:

  • zum einen die Betonung der Priesterwürde aller Christ:innen vor Gott, die darin besteht, dass alle zur direkten Gemeinschaft mit ihm berufen und zum direkten Zugang zu ihm im Gebet befähigt sind;
  • zum anderen die Hervorhebung der gleichen Vollmacht aller zum Priesterdienst, der zum Ziel hat, dem Nächsten die Gottesbeziehung zu bezeugen und ihm so in seinem Christwerden (und damit wiederum: Priestersein) zu helfen.

Zum Allgemeinen Priestertum zählt Luther – neben Gebet, Fürbitte, Bezeugung des Evangeliums und den Gottesdienst im Alltag – sogar Tätigkeiten hinzu, die dem rechtlich institutionalisierten Priesteramt vorbehalten sind: Spendung der Taufe, Austeilung des Abendmahls und das Urteilen über christliche Lehre. Unmittelbar dem Wesen der Kirche entsprechend ist also zunächst nur dieser gemeinsame Priester-Dienst aller Gläubigen. Auf „göttliche Einsetzung” geht nur das Priestertum aller zurück, nicht die diesen allgemeinen Dienst im Einzelnen konkretisierenden Ämter.

Das ordinierte Amt dient dem Allgemeinen Priestertum

Von Beginn an hat Luther an der Notwendigkeit eines institutionalisierten Amts festgehalten und dieses konsequent aus dem Allgemeinen Priestertum heraus entwickelt: Gerade weil alle Christ:innen die gleiche Vollmacht zum Dienst an Wort und Sakrament haben, darf es innerhalb der christlichen Gemeinde und ihrer öffentlichen gottesdienstlichen Versammlung nicht zu einer eigenmächtigen Ausübung dieser Vollmacht auf Kosten anderer kommen.

Ausschlaggebend ist hier die Unterscheidung zwischen Vollmacht und ihrer Ausübung: Zwar ist jeder Christenmensch kraft seiner Taufe schon „Priester”, aber es steht nicht jedem zu, „solch ampt zu üben”. Würden alle ihre Priesterrechte gleichzeitig praktizieren, so würden sie im Grunde allen streitig gemacht und die Bezeugung des Evangeliums behindert. Angesichts der Vielzahl der in gleicher Weise Berechtigten bedarf es also einer nicht nur pragmatischen, sondern theologisch geforderten Ordnung. So gewährleistet das institutionalisierte Amt stellvertretend für alle die gute Ordnung und dient gleichzeitig der Erhaltung des Allgemeinen Priestertums.

Folglich konkurriert das Allgemeine Priestertum nicht mit dem ordinierten Amt. Vielmehr sind das evangelisch verstandene institutionalisierte Amt und die private Glaubensüberzeugung zusammen – wenn auch zu unterscheidende – Verwirklichungsformen des einen Priesterdienstes aller Christ:innen.

 

Kirchengemeinderat verantwortet Gestaltung des Gottesdienstes

Auch die Verfassung der Nordkirche macht unmissverständlich deutlich:

  • „Alle Kirchenmitglieder sind gehalten, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Sie sind mitverantwortlich für die Erfüllung des kirchlichen Auftrags.” (Art. 10,3)

Im Blick auf die Kirchengemeinde spricht die Kirchengemeindeordnung von der

  • „(...) Sorge dafür, dass das Evangelium den Menschen in ihrem Bereich verkündigt wird und sie sich um Wort und Sakrament sammeln. Dies geschieht in vielfältiger Weise, insbesondere durch Gottesdienst, Gebet, Kirchenmusik (...)” (Kirchengemeindeordnung, §1, 2).
  • „Der besondere Dienst der Pastorinnen und Pastoren, der ihnen durch die Ordination übertragen wird, besteht in der Sammlung der Gemeinde durch die öffentliche Verkündung des Evangeliums in Wort und Sakrament im Gottesdienst und in den Amtshandlungen.” (Art. 16,2.6 der Verfassung).
  • “Daneben haben andere Berufsgruppen im Rahmen ihrer Beauftragung teil am Amt der öffentlichen Verkündigung.” (Art. 16,2.6 der Verfassung)

Zu diesen gehören auch die Prädikanten.

Rechtsgrundlage ist das Prädikantengesetz.

  • „Zur geistlichen Leitungsaufgabe des gesamten Kirchengemeinderats gehört seine Verantwortung für die Gestaltung der Gottesdienste und liturgischen Handlungen sowie für die Nutzung gottesdienstlicher Räume und Festlegung von Gottesdienstzeiten” (Kirchengemeindeordnung, §20 Abs.1).

Wenn eine Gruppe von Ehrenamtlichen einen Gottesdienst plant und gestalten will, hat sie dazu nach Rücksprache mit dem Kirchengemeinderat alle Freiheit, gehört es doch auch zu seinen Aufgaben, dafür Sorge zu tragen, dass die Botschaft des Evangeliums „(...) auf vielfältige und einladende Weise erfahrbar werden kann und im Leben der Kirchengemeinde und ihrer Glieder immer wieder neu Gestalt gewinnt” (Kirchengemeindeordnung, §19 Abs. 2).

Vertiefung und Beratungsangebote

Zur Vertiefung: Evangelisches Gottesdienstbuch. Agende für die Evangelische Kirche der Union und für die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands.

Beratung auf Ihrem Weg zum Umgang mit Ihrer Verantwortung im Bereich Gottesdienst finden Sie auf den Seiten zur Gottesdienstkultur und im Gottesdienstinstitut der Nordkirche.

Dieser Beitrag wurde vom Gottesdienstinstitut der Nordkirche erstellt.